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Gekippte Fenster können für Katzen zur tödlichen Falle werden. Vor allem ab Mai/Juni, wenn die Menschen wieder viel lüften, ist die Gefahr groß. Denn wenn Vogelgezwitscher und Sonnenstrahlen den Frühling ins Haus bringen, vergessen auch Wohnungskatzen alles um sich herum. Selbst ein gekipptes Fenster hält sie dann nicht von ihrem Jagdtrieb ab. Ein Eichhörnchen, das am Baum hinter der Scheibe herumklettert, eine Meise, die vorbeiflattert, und der Stubentiger versucht, sich durch den Spalt ins Freie zu zwängen. Mit dem Oberkörper kommt er meist noch gut durch. Doch mit dem Becken, also im Bereich der Lendenwirbelsäule, bleibt er oft in der schrägen Öffnung stecken. Das Problem: Je heftiger die Katze versucht, sich zu befreien, desto tiefer rutscht sie in den spitz zulaufenden Spalt und klemmt Bauch und Unterleib mehr und mehr ein. Hauptschlagader, Nerven, Wirbelsäule und innere Organe wie Nieren, Darm und Blase können dabei stark gequetscht werden. Und je länger die Katze im Fenster festhängt, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie bleibende Schäden davonträgt. Im schlimmsten Fall erliegt sie ihren Verletzungen.

Ein vorbeiflatternder Schmetterling genügt, und der Jagdtrieb des Kätzchens ist geweckt. Foto: Lars – stock.adobe.com

Die Unfälle kommen so häufig vor, dass es dafür sogar einen medizinischen Fachausdruck gibt: das Kippfenster-Syndrom. Typisches Symptom sind gelähmte Hinterbeine, weil durch das Abschnüren der Bauchaorta die Blutversorgung in den Unterleib unterbunden wurde. Die Tiere ziehen die Beine, die in der Regel bereits eiskalt und gefühllos sind, schlaff hinter sich her. Oft sind die Katzen auch unterkühlt und befinden sich im Schock. Bei sehr schwerem Verlauf kann es zum Absterben von Blasen- und Darmschleimhaut oder Bauchwandgewebe kommen.

Selbst die Befreiung der eingeklemmten Katze birgt (Lebens-)Gefahren. Denn durch die erneute Durchblutung (medizinisch: Reperfusion) der hinteren Körperhälfte werden im dortigen Gewebe angestaute Stoffwechselprodukte und Blutgerinnsel schlagartig in den ganzen Körper geschwemmt – mit unabsehbaren Spätfolgen, etwa schweren Herzrhythmusstörungen.

Katzen mit Kippfenster-Syndrom sind Notfallpatienten und werden in der Tierklinik Ismaning umgehend verarztet. Zu Beginn steht die Schocktherapie im Vordergrund der Behandlung. Dazu wird das Tier aufgewärmt und erhält Infusionen, um das Herz-Kreislauf-System zu stabilisieren und die Nierenfunktion aufrecht zu erhalten. Rund-um-die-Uhr-Überwachung inklusive. In der Regel muss das Tier auch Schmerzmittel erhalten. Nach der Erstbehandlung werden per Röntgen und Ultraschall mögliche Brüche und Organschäden abgeklärt. Auch die Blutwerte können viel über den Zustand der Katze erzählen.

Die Prognose beim Kippfenster-Syndrom hängt vom Ausmaß der Schäden ab, ist statistisch gesehen aber relativ gut. Selbst wenn die Symptome – komplett gelähmte Hinterbeine – erschreckend klingen, haben die Tiere gute Chancen, wieder zu genesen, sofern sie rechtzeitig intensivmedizinisch versorgt werden. Allerdings brauchen Tier und Halter dabei viel Geduld: Denn es können Wochen und Monate vergehen, bis die Katze ihr natürliches Gangbild wieder hat.

Am besten schützen Halter ihre Katzen natürlich, wenn sie alle Fenster schließen, sobald sie nicht im Raum sind oder das Haus verlassen. Das gilt übrigens auch, wenn das Tier im Freien unterwegs ist, denn manchmal versuchen Katzen auch, von außen über ein gekipptes Fenster ins Haus zu gelangen. Mit all den beschriebenen Folgen.

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