Als die zwölfjährige Katzendame Kiki im Notdienst der Tierklinik Ismaning vorgestellt wurde, zeigte sie auffällige neurologische Symptome: eine schiefe Kopfhaltung, Gleichgewichtsstörungen, schnelle Augenbewegungen und Appetitlosigkeit. Der diensthabenden Tierärztin Džemila Mešić-Felić war schnell klar: Hier liegt mehr als eine harmlose Alterserscheinung vor.
Besitzerin Heidi Babisch hatte schon längere Zeit bemerkt, dass sich die Katze vermehrt am Ohr kratze. Weder beim Haustierarzt noch in einer anderen Tierklinik konnte eine klare Diagnose gestellt werden, eine Spritze gegen Übelkeit brachte keine Besserung, im Gegenteil: Die Symptome verschlechterten sich – und so kam Kiki in die Notaufnahme nach Ismaning.
„Kiki zeigte typische Anzeichen eines sogenannten Vestibularsyndroms“, erinnert sich Tierärztin Džemila Mešić-Felić an ihren Notdienst.

Stört Entzündung im Ohr Das Gleichgewichtsorgan?
„Ihre Symptome deuteten auf eine Störung im Bereich des Gleichgewichtsorgans hin, also im Innen- oder Mittelohr. Auffällig war, dass aus beiden Gehörgängen gelblich-klare Flüssigkeit austrat“, so die Tierärztin.
Die Untersuchung, die dank der braven Maine-Coon im Wachzustand durchgeführt werden konnte, zeigte auf der rechten Seite eine ungewöhnliche Wölbung des Trommelfells. „Das sprach dafür, dass sich hinter dem Trommelfell Flüssigkeit oder Gewebe angesammelt hatte, was Druck ausübt“, erklärt Džemila Mešić-Felić. Der Verdacht: eine Mittelohrentzündung (Otitis media) oder möglicherweise ein Polyp.
CT bringt Gewissheit – Operation unumgänglich
In Absprache mit den Besitzern wurde eine weiterführende Diagnostik mittels Computertomografie (CT) beschlossen. Das Ergebnis bestätigte die Vermutung: Beide luftgefüllten Hohlräume des Mittelohrs (Bulla tympanica) waren mit Flüssigkeit gefüllt, es lag also eine Entzündung vor. Auf der rechten Seite entdeckten die Tiermediziner zusätzlich tatsächlich eine auffällige Gewebeveränderung.
Bereits am Tag nach dem CT wurde Kiki von Oberärztin Dr. Vera Morbach operiert: Die Mittelohrhöhlen wurden über die Unterseite des Kopfes chirurgisch eröffnet, gründlich gespült und die entzündlichen Strukturen entfernt. Der histologische Befund des „Polypen“ war gutartig.
Rehabilitation mit kleinen Einschränkungen, aber großem Erfolg
Nach der gelungenen Operation verlief die Erholungsphase von Kiki zunächst schleppend. Kiki hatte Schmerzen und verweigerte das Futter. Doch dank gezielter Schmerztherapie und Medikamenten gegen Übelkeit erholte sie sich sichtbar.
Heute ist sie wieder richtig mobil, frisst sehr gut und erklimmt selbstbewusst ihren Kratzbaum. Für Besitzerin Heidi Babisch war die Entscheidung zur Operation trotz der Kosten alternativlos, „schließlich ist Kiki von klein auf, also seit zwölf Jahren, Teil unserer Familie!“
Kikis Kopf ist noch ein bisschen schief, „aber die Heilungsphase kann ja bis zu drei Monate dauern, das wissen wir. Wir sind sehr zufrieden mit dem OP-Verlauf“, so das Fazit der Maine-Coon-Besitzerin.

Alter ist keine Krankheit!
Die Ursachen des Vestibularsyndroms sind vielfältig – von altersbedingten Veränderungen bis hin zu Infektionen, Traumata oder, wie im Fall von Kiki, entzündlich bedingten Polypen.
„Gerade bei älteren Katzen sollten ähnliche Symptome wie bei Kiki immer tierärztlich abgeklärt werden“, betont Džemila Mešić-Felić. „Die Prognose ist umso besser, je früher die Ursache gefunden und behandelt wird.“ In manchen Fällen würde auch eine lokale Behandlung genügen.
„Alter ist keine Krankheit“, so Tierärztin Džemila Mešić-Felić. „Mit der richtigen Diagnose und Therapie kann auch eine Senior-Katze wieder zu alter Lebensfreude zurückfinden.“