Parasiten lösen die Drehkrankheit aus
Mediziner nennen die Infektionskrankheit Enzephalitozoonose. Der Volksmund sagt Dreh- oder Sternguckerkrankheit dazu, denn häufig fallen die Patienten auf, weil sie ihren Kopf schief halten. Auslöser der Erkrankung sind Parasiten, Kaninchen sind die Hauptwirte. Einmal im Körper des Tieres setzen sich die sporenbildenden Einzeller, Enzephalitozoon cuniculi genannt, mit Vorliebe in den Zellen von Gehirn, Rückenmark, Nieren und Augen fest, wo sie sich vermehren.
Doch Infektion bedeutet bei der Enzephalitozoonose nicht zwangsläufig Erkrankung. Viele Kaninchen tragen die Parasiten jahrelang in sich, ohne dass die Krankheit ausbricht. Ihr Immunsystem hält die Erreger in Schach. Schätzungen gehen davon aus, dass in der Heimtierhaltung die Bestände bis zu 80 Prozent mit dem Erreger durchseucht sind. Aber nur zehn Prozent der Kaninchen entwickeln tatsächlich Krankheitssymptome.
Symptome: Kopfschiefhaltung und Lähmungen
Je nach befallenem Organ und Schwere der Erkrankung können die Symptome sehr unterschiedlich sein. Klassische Anzeichen sind jedoch die Kopfschiefhaltung sowie andere neurologische Störungen wie Lähmungen, Krämpfe und Gleichgewichtsstörungen. Doch auch Beeinträchtigungen der Nierenfunktion wie vermehrter Urinabsatz und Inkontinenz sowie unkontrollierte Augenbewegungen, vermehrter Tränenfluss und Linsentrübung gehören zu den typischen Symptomen.
Infizierte Kaninchen – auch die klinisch unauffälligen – scheiden die Parasiten als Sporen mit dem Urin aus. So können diese in Stall und Gehege bis zu zwei Jahre überleben. Über solchermaßen verunreinigtes Futter und Heu nehmen die gesunden Artgenossen dann den Erreger auf, der über den Magen-Darm-Trakt in die Blutbahn gelangt. Nicht umsonst betrifft der Parasitenbefall meist alle Tiere eines Bestandes (Die Partnertiere von erkrankten Tiere sollten daher mituntersucht werden). Auch können sich Kaninchen bereits vor der Geburt im Mutterleib anstecken.
Wenn sie Glück haben, gehören sie zu den 90 Prozent nur latent infizierten Tieren, bei denen das Immunsystem gesund genug ist, um die Vermehrung der Parasiten zu kontrollieren. In Stresssituationen kann die körpereigene Abwehr allerdings so unter Druck geraten, dass sich die Erreger auf einmal explosionsartig vermehren und die Krankheit ausbricht. Stressoren können sein: Ortswechsel, Einzelhaltung, Verlust des Partnertieres, Unwetter oder andere Erkrankungen. Genauso wenig dürfen immunsuppressive Medikamente à la Kortison verdeckt infizierten Tieren verabreicht werden.
In seltenen Fällen stecken sich auch Menschen bei den Heimtieren an, allerdings besteht eine potenzielle Gefahr nur bei Patienten mit Abwehrschwäche, also etwa HIV-Infizierten oder Transplantat-Empfängern.
Diagnose
Die Diagnose der Drehkrankheit erfolgt durch den Ausschluss von anderen Krankheiten mit ähnlichen Symptomen und den Nachweis von Antikörpern im Blut.
Therapie der Enzephalitozoonose
Eine Heilung der Enzephalitozoonose ist nicht möglich. Auch vorbeugende Maßnahmen, wie etwa eine Impfung, gibt es nicht. Rechtzeitig behandelt, können sich die Symptome allerdings deutlich bessern. Manchmal können sie sogar wieder verschwinden, manchmal bleiben Folgeschäden wie eine leichte Kopfschiefhaltung oder andere neurologische Ausfälle zurück.
In der Therapie versuchen die Tierärzte, (neben einer symptomatischen Behandlung) die Vermehrung der Parasiten medikamentös einzudämmen. Damit das gelingt, sollte die Behandlung in den ersten ein bis zwei Tagen nach Auftreten der ersten Krankheitsanzeichen einsetzen. Denn je mehr Zeit die Parasiten zur Zerstörung der Zellen haben, um so wahrscheinlicher sind irreversible Organschäden. Das Mittel der Wahl heißt Panacur (der Wirkstoff Fenbendazol), es ist eigentlich ein Entwurmungsmittel und muss über drei bis vier Wochen gegeben werden.
Doch auch wenn die akute Phase überstanden sein sollte, tragen die Tiere weiterhin die Parasiten in sich. Das heißt: Die Rückfallgefahr ist hoch, wenn die Immunabwehr wieder mal durch Stress oder eine andere Infektion beeinträchtigt sein sollte.